Von Prof. Dr. Reiner Osbild, Hochschule Heidelberg
In der Presse tauchte jüngst die Meldung auf, Professor Peter Bofinger fordere noch geringere Zinsen. “Der EZB-Rat sollte sich zu umfangreicheren Wertpapierkäufen durchringen”, fordert nun der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Der Ökonom, der die Bundesregierung berät, ist sich sicher: “Damit kann man dafür sorgen, dass es erst gar nicht zu einem Abrutschen des Euro-Raums in die Deflation kommt.” (Bofinger fordert große Geschütze vom 5.2.2014)
Wo das endet, hat er in einer Rede Anfang 2013 in Luxemburg deutlich gemacht (Video s.u.). Eingeladen hatten die dortigen Grünen (déi gréng), und der Titel der Veranstaltung hieß bezeichnenderweise: „Der Euro am Scheideweg – Wie kann der Euroraum vor dem deutschen Sparkurs gerettet werden?“
Bofinger, 59, ist einer der fünf Weisen, also einer der Top-Berater der Bundesregierung. Da auch dort der Proporz entscheidet, ist er mit dem „Gewerkschaftsticket“ dorthin gekommen. Nichtsdestotrotz gehört er zu Deutschlands angesehensten Ökonomen. Es sind drei Dinge, die Bofinger fordert, als Alternative zum deutschen Sparkurs (der ja in Wirklichkeit keiner ist, da trotz Rekord-Steuereinnahmen die Schulden zunehmen):
- höhere Löhne für deutsche Arbeitnehmer
- höhere steuerfinanzierte Staatsausgaben
- höhere Investitionen durch den Staat.
Wenn man Bofinger zu Ende denkt und bis zum Ende zuhört, merkt man: Diese Forderungen sind nur mit einem übermächtigen zentralistischen Staat umzusetzen. Sie vernichten den Wettbewerb und damit die marktwirtschaftliche Ordnung. Genau diese These werde ich im folgenden belegen.
Die höheren Löhne für den deutschen Arbeitnehmer sollen die deutsche Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern und die hiesigen Preise nach oben treiben, damit dem Süden Europas der deflationäre Weg über Lohnsenkungen erspart bleibt. Das ist, als ob der Klassenprimus weniger lernen solle, damit die schlechten Schülern besser dastehen. Richtig ist, dass es innerhalb der Eurozone auf die Lohn- und Preisrelationen ankommt: wenn der Süden zu teuer ist, kann das behoben werden, indem der Süden billiger wird (Deflation) oder der Norden teurer (Bofingers Nord-Inflation). Zunächst einmal überrascht es, warum Bofinger der Inflation im Norden das Wort redet, um eine Deflation im Süden zwecks Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit zu vermeiden. Die AfD hat eine viel elegantere Lösung mit der Rückkehr zu nationalen Wechselkursen: Wenn ein Fiat Punto mit 10.000 € zu teuer für den Export ist, dann würde es sich anbieten, zur Lira zurückzukehren (nehmen wir als Beispiel das historische Umtauschverhältnis 2000:1) und für 20 Mio. Lira zu produzieren. Jetzt könnte die Lira abwerten, etwa auf 2500:1, womit der Punto in der verbleibenden Eurozone nur noch 8.000€ kosten würde. Lohnniveau und Preise in Italien bräuchten sich nicht zu ändern, Italien könnte mehr exportieren, und Deutschland bräuchte nicht zu inflationieren!
Was Bofinger verschweigt: Lohnfindung ist dezentral. Sie ist das Ergebnis von Tarifvereinbarungen oder individuellen Verträgen, bisweilen begrenzt durch Mindestlöhne. Um die „richtigen“ Lohnrelationen zu erreichen, müßte sich letztendlich eine zentrale Behörde einschalten, die die Lohnzuwächse in Deutschland und in den Krisenstaaten überwacht, Empfehlungen ausspricht, Vorgaben macht, Sanktionen verhängt. Ohne eine solche Super-Behörde wäre es kaum vorstellbar, dass die Löhne dezentral so festgesetzt werden, dass makroökonomisch die gewünschte Änderung der Wettbewerbsfähigkeit herauskommt. Eine zentrale europaweite Einkommenspolitik, gesteuert von der EU also!
Bofinger ist einer der Hauptkritiker der öffentlichen Sparpolitik. Er argumentiert mit negativen Multiplikatorwirkungen: wenn in der Rezession der Staat spart, dann würden negative Folgeeffekte einsetzen. Storniert der Staat etwa den Bau von Handelsschiffen, so werden Arbeiter ihren Job verlieren, die sich wiederum weniger leisten können, so dass andere Unternehmen weniger absetzen, Arbeitnehmer entlassen usw.
Bofinger will für die Konsolidierung mehr Zeit. , da er die „Schuld“ für die Krise im Sparverhalten des privaten Sektors ansiedelt. Seit der Krise 2008 seien die privaten Ersparnisse in der Welt massiv angestiegen. Die Privaten sparten so entsetzlich viel, dass sie die Wirtschaft abwürgten (nach ca. 22 Minuten im Video zu sehen)… Gesamtwirtschaftlich sei das fatal, weil zu wenig nachgefragt werde. Daher: Wenn schon die überschuldeten Haushalte durch Ersparnisbildung ihre Verschuldung reduzieren – besonders in Ländern wie Irland und Spanien ist die private Verschuldung infolge von Immobilienkäufen sehr hoch -, solle der Staatshaushalt mehr Schulden machen, um den „Nachfrageausfall“ durch das private Sparen zu „ersetzen“. Bofinger nennt die USA als Beispiel für eine solche Strategie.
Natürlich sieht aber auch Bofinger das Problem, dass die Staatsschulden bereits jetzt sehr hoch sind, und dass ein Draufsatteln einfach nicht geht. Daher wirft er die Frage auf: „Wenn man spart, dann über die Ausgaben- oder Einnahmeseite?“ Überwiegend werde in den Krisenländern über eine Kürzung der Ausgaben und nicht über (Steuer-)Einnahmen „gespart“. [Das Wort gespart ist bewußt in Anführungsstriche gesetzt.] Bofinger verweist auf die z.T. niedrigen Steuerquoten einzelner Länder wie Irland. Diese könnten wie Deutschland in der Nachkriegszeit eine Vermögensabgabe erheben.
Bofinger argumentiert also: die privaten Haushalte konsumieren zu wenig; also, laßt uns ihnen das Geld wegsteuern, damit es der Staat mit vollen Händen ausgibt!
Als drittes knöpft sich der Ökonom die EZB vor, und fordert Zinsen von null – womit wir beim Ausgangspunkt unseres Artikels wären. Wenn schon die Banken „gerettet“ werden müßten, dann solle man ihnen das Geld zum Nulltarif geben. Ebenso redet er einer nahezu unbegrenzten Staatsfinanzierung durch die EZB das Wort mit dem Argument, die Fed und die Bank of England hätten schon viel mehr Staatsanleihen erworben als die EZB.
Das entscheidende ordnungspolitische Argument kommt in Minute 32 des Videos (s.u.): Die Finanzmärkte hätten es nicht verstanden, Geld in innovative und produktive Verwendungen zu lenken. Die Schuldenbremse sei eine der widersinnigsten Antworten der Politik auf die Finanzkrise. „Die Finanzkrise hat doch gezeigt, dass die privaten Finanzmärkte völlig überfordert sind, die Mittel, die man ihnen gibt, vernünftig anzulegen… Die Finanzmärkte haben das Geld im wahrsten Sinne des Wortes in Spanien oder Nevada in den Sand gesetzt. Die hätten irgendwelche Hi-Tech-, Energieprojekte, Gesundheit, was weiß ich, …es gibt 1000 Dinge, die die Gesellschaft braucht, … Überwiegend ist das Geld einfach verbrannt worden… Wenn wir Zukunftsinvestitionen brauchen, scheinen die Finanzmärkte nicht so gut zu sein, lasst doch den Staat Zukunftsinvestitionen machen…“
Bofingers Lösung: Der Staat ist der bessere Investor, bloß nicht die Privaten! Der Kapitalmarkt, der dezentral die Ersparnis der Haushalte in die Kapitalbildung der privaten Unternehmer lenkt (Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind der Prototyp hierfür), versagt; folglich muss der Staat ran, der von der Notenbank direkt finanziert wird! Und gebt ihm unbegrenzt Mittel zum Nulltarif!
Damit outet sich der Gegner der deutschen Sparpolitik und der Befürworter des Euro als dreifacher Interventionist:
- Der Staat müsste die Lohnfindung koordinieren und anstelle der Tarifparteien die richtigen Löhne und Lohnrelationen in 18 Euro-Staaten festlegen.
- Der Staat soll den sparwütigen Individuen das Geld wegsteuern und mit vollen Händen zur Steigerung der Nachfrage ausgeben.
- Der Staat soll die unfähigen Kapitalmärkte in der Aufgabe ablösen, die besten, rentabelsten und innovativsten Investitionsprojekte zu finden und für diesen Zweck dauerhaft mit frisch gedrucktem EZB-Geld zu Nullzinsen finanziert werden.
Leider: Das ist das Gegenteil der Marktordnung, das ist die Abschaffung des Marktes. Selten habe ich es so deutlich und akzentuiert gefunden wie in diesem Video. Das klare Aufzeigen der Implikationen der „alternativlosen“ Rettungspolitik sollte uns aufwecken und unseren Widerstand noch stärker machen.
Der Kommentar ist zuerst erschienen beim Online-Journal der AfD Baden-Württemberg
Prof. Bofinger im Video: