Die meisten Menschen gehen stillschweigend davon aus, die Scheine und Münzen in ihrem Portemonnaie und das Geld auf ihrem Konto seien im Wesentlichen dasselbe. Würden sie versuchen, alle ihre Guthaben vom Sparbuch, Tagesgeld- oder Girokonto abzuheben, wären sie jedoch schnell eines Besseren belehrt: In ganz Europa gibt es nämlich nicht genügend Euro-Scheine und -Münzen, um sich das Geld auszahlen zu lassen, das allein die deutschen Banken verwalten.
Auf den Konten der Euro-Zone lagern insgesamt 9891 Milliarden Euro. Die Europäische Zentralbank (EZB) spricht von der „großen“ Geldmenge M3. Banknoten gibt es dagegen nicht mal für ein Zehntel dieses Betrags – es sind kaum mehr als 900 Milliarden –, und das Münzgeld fällt wegen der kleinen Stückelung gar nicht erst ins Gewicht. Allein die Deutschen haben jedoch 1,9 Billionen, also mehr als doppelt so viel „auf der Bank“. Möglich wird diese Diskrepanz, weil Geld einem weitverbreiteten Vorurteil zum Trotz nicht allein von der Zentralbank geschaffen wird, sondern auch und vor allem von den Geschäftsbanken. Das geschieht täglich, zum Beispiel immer dann, wenn ein Kunde einen Konsumentenkredit oder ein Baudarlehen in Anspruch nimmt.
In dem Moment, da die Bank die Darlehenssumme aufs Konto bucht, ist neues Geld geschaffen! Gleiches passiert, wenn die Bank einen Kredit an ein Unternehmen vergibt. „Fiat money“ heißen derartige Währungen im englischsprachigen Raum, nach dem Imperativ „fiat!“ (es werde!), der auf die Schöpfung aus dem Nichts anspielt. Auf Deutsch ist meist von Papiergeld die Rede, auch wenn die Euro-Banknoten aus Baumwolle sind und für das elektronische Geld auf dem Konto nicht einmal eine Druckerpresse vonnöten ist.
Gedeckt sein müssen die Kredite dabei praktisch gar nicht. Anders, als man annehmen könnte, ist es nicht so, dass die Guthaben des einen die Kredite des anderen werden. Die Banken müssen lediglich eine minimale Mindestreserve im niedrigen Prozentbereich vorhalten. Durch die Buchung der Geschäftsbank kommt Geld in den Wirtschaftskreislauf, das vorher schlicht und einfach nicht da war. Ökonomen wie Huber nennen diese von Banken kreierten Euros auch Buchgeld oder „Giralgeld“ (nach dem italienischen Wort für „Kreislauf“). Mit dem Dollar, dem britischen Pfund oder dem japanischen Yen verhält es sich ebenso. Auch diese Währungen sind „fiat money“, per Knopfdruck erzeugtes Geld.
Das Problem mit Giralgeld ist, dass es ebenso leicht vernichtet werden kann, wie es geschaffen wird. Es ist gewissermaßen ein rühriges Nichts, das mangels Deckung immer krisenanfällig sein wird. Haben die Banken besonders viele Kredite vergeben, kann das gesamte Finanzsystem wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen – wie die Finanzkrise vor fünf Jahren auf schmerzliche Weise demonstrierte. Damals rettete unter anderem ein Bluff das System: Die Bundesbürger vertrauten dem Versprechen von Merkel und Steinbrück, die deutschen Bankguthaben seien sicher. Hätten die Kunden die Schalter gestürmt, hätten sie jedoch sehr bald gemerkt, dass nicht einmal die Regierung auf die Schnelle genug Bargeld für alle zur Verfügung stellen kann.
Mit „Vollgeld“ könnte ein Bankensturm nicht passieren. Diesem Konzept zufolge darf nur noch ein zentrales Institut Buchgeld schaffen, wie es heute bereits bei Banknoten der Fall ist. Die Kreditinstitute, also auch die Sparkassen und Volksbanken, verwalten dieses Vollgeld lediglich, ähnlich, wie sie es heute mit den Wertpapieren in einem Depot machen.
Ein zusätzlicher Vorteil wäre, dass die öffentliche Hand die Gewinne einfahren würde, die bisher die Geschäftsbanken bei der Geldschöpfung erzielen. Diese sogenannte Seigniorage – Huber beziffert sie auf 25 Milliarden Euro – könnte dann dem Gemeinwohl zugutekommen. → Unbedingt weiterlesen bei der WELT!