Zum nahenden 11. Geburtstag des misslungenen Währungsexperiments appelliert der Springer-Konzern an unser Mitgefühl und fragt, warum wir dem Euro gegenüber so unfair sind. Uns kommen die Tränen…
Doch damit nicht genug, schlägt die WELT noch mal in die perverse Angst-Kerbe Draghis, indem sie meint, wir wären auf dem Stand von Affen stehen geblieben, wenn wir den Euro nicht endlich toll finden:
Gegen diesen Primat der Angst (der unseren affenähnlichen Vorfahren mittels geschärfter Sinne vermutlich beim Überleben in der Savanne half) hilft manchmal Statistik.
Die „Statistik“ sieht so aus, dass man einen „Kaufkraftgewinn“ durch den Euro suggeriert:
Im Gedächtnis hängen bleiben werden jedoch nicht die fünf Prozent Kaufkraftgewinn auf dem Weltmarkt, die 2013 alle Euro-Bürger erlangt haben, sondern die Konfusion der Krisen-Jahre.
Worauf bezieht sich dieser herbeiphantasierte „Kaufkraftgewinn“? Was man 2001 für 50 DM im Supermarkt kaufen konnte, kostet heute locker 100 €, also das Vierfache. Aber vielleicht sind ja Glasperlen 5% billiger geworden?
In einem weiteren Artikel des selben Blattes wird EZB-Kritikern nicht nur Primaten-Verhalten, sondern weiteres unterstellt:
Kritiker fallen über EZB-Präsident Mario Draghi her, weil er den Deutschen „perverse Ängste“ bei der Euro-Rettung attestiert. Doch weniger Fundamentalismus und Scheinheiligkeit würden uns gut tun.
Dem Leser wird folgendes von Prof. Michael Hüther (Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln) serviert:
Die ausschließlich deutsche Kritik ist in ihrem Fundamentalismus weder überzeugend noch hilfreich. (…) Jedenfalls ist das Urteil, dass „die EZB unverantwortlich hohe Risiken auf die Bilanz genommen“ hat, nicht begründet. (…) Das OMT-Programm kann mit der Tatsache begründet werden, dass im Sommer 2012 die Staatsanleihen der Krisenländer neben dem eigentlichen Solvenzrisiko des jeweiligen Staates auch das Existenzrisiko der gemeinsamen Währung reflektierten. Der Sachverständigenrat hat in seinem Jahresgutachten 2012 dies empirisch bestätigt. In einer solchen Situation droht ein destabilisierender Prozess, der durch die Finanzpolitik in den Krisenstaaten allein nicht aufzuhalten ist. Eine Notenbank trägt auch Verantwortung für die bloße Existenz der Währung, genau das wurde mit dem neuen Programm zum Ausdruck gebracht.
Na prima, der Fachmann bescheinigt, dass der Euro klinisch tot ist und nur durch ein umstrittenes Programm überhaupt noch existiert. Aber wenn man das ausspricht, ist man ein Fundamentalist und ein scheinheiliger noch dazu. Der optimale Euro-Bürger hat seine perversen Primatenängste gefälligst unter Kontrolle zu bringen.