Michael Espendiller ist mit 24 Jahren einer der jüngsten Bundestagskandidaten der AfD NRW gewesen. Er kommt aus Aachen, ist Mathematiker und arbeitet als Doktorand an der Universität. Sein Promotionsthema klingt ziemlich kompliziert und hat etwas mit Statistik zu tun. Seine Freizeit gehört der Alternative für Deutschland.
Eurokritiker: Sie sind im Bundesvorstand der „Jungen Alternative“, das heißt, Sie sind nicht nur in NRW gut vernetzt, sondern bundesweit. Hat sich schon in allen AfD-Landesverbänden eine „Junge Alternative“ gegründet?
Michael Espendiller: Wir bauen gerade die JA bundesweit auf und vernetzen alle jungen Leute aus Deutschland. In fast allen Bundesländern sind bereits Landesverbände gegründet oder schon terminiert. Das Engagement der Jugend ist auch nach der Bundestagswahl noch hoch geblieben und wir bauen jetzt unsere Strukturen auf, um die AfD zukünftig konstruktiv begleiten zu können.
Eurokritiker: Die Mitgliedschaft in der „Jungen Alternative“ ist im Alter von 14 bis 35 Jahren möglich. Wie läuft das eigentlich konkret: Sagen wir mal, ein 16-Jähriger möchte bei der AfD mitmachen – tritt er dann in die AfD ein und ist automatisch Mitglied der „Jungen Alternative“? Oder tritt er in die „Junge Alternative“ ein und ist automatisch Mitglied der AfD? Oder sind das zwei veschiedene Paar Schuhe?
Michael Espendiller: Das sind erstmal zwei verschiedene Paar Schuhe, wobei die meisten JA Mitglieder auch AfD Mitglieder sind. Eine automatische Mitgliedschaft halte ich für nicht notwendig. Das würde nur zu Karteileichen führen. Wenn jemand in der JA mitwirken möchte, kann er problemlos über unsere Homepage die Mitgliedschaft beantragen.
Eurokritiker: Ab welchem Alter haben Mitglieder eigentlich Stimmrecht? In NRW hat man ab 16 Jahre Kommunalwahlrecht. Dürfen 16-Jährige – zumindest auf Kreisebene – in der AfD mitbestimmen?
Michael Espendiller: Natürlich! Die AfD vertritt die Interessen der Jugend und wir Jungen genießen auch ein hohes Ansehen und werden von den älteren AfD-Mitgliedern respektiert. Schließlich sind die meisten Menschen hier engagiert, um Ihren Kindern eine besser Zukunft zu ermöglichen. Entsprechend haben auch junge Mitglieder Stimmrecht, sofern es keine anderen gesetzlichen Bestimmungen gibt. Zur Aufstellung der Europawahlliste muss man beispielsweise mindestens 18 Jahre alt sein.
Eurokritiker: Auf dem NRW-Landesparteitag stehen Nachwahlen oder Neuwahlen des Landesvorstands an. Wie ist die Stimmung unter den jungen Leuten: Sind sie für Nachwahlen oder eine Neuwahl des gesamten Landesvorstands?
Michael Espendiller: Die informierten Mitglieder möchten Neuwahlen. Wir sind dem Landesvorstand für seine bisherige Arbeit und sein Engagement dankbar. Die diversen Rücktritte zeigen aber, dass die Basis nochmal eine neue Entscheidung über den kommenden Landesvorstand treffen sollte. In einer jungen Partei ist das ein ganz normales Prozedere. Die Leistungsträger des Vorstandes werden auch sicherlich wiedergewählt. Insofern befürworte ich eine komplette Neuwahl.
Eurokritiker: Schön wäre es ja auch, wenn im neuen Landesvorstand wieder ein junges Gesicht mit dabei wäre. Wird am Samstag ein Mitglied der „Jungen Alternative“ für den Landesvorstand kandidieren?
Michael Espendiller: Ich hoffe, dass mehrere unserer Mitglieder für den Landesvorstand kandidieren werden. Wir machen eine zukunftsorientierte Politik und die Bundestagswahl hat gezeigt, dass wir von jungen Leuten gewählt werden. Das sollte sich auch in den Vorständen wiederspiegeln. Wir können die Synergieeffekte junger Innovation mit der Erfahrung der Älteren nutzen.
Da ich von diversen Leuten aus NRW darum gebeten wurde, werde ich auch als Beisitzer für den Landesvorstand kandieren. Man schätzt meine konzeptionelle und strukturierte Denkweise, die ich als Mathematiker an den Tag lege. Im Falle meiner Wahl werde ich auch intensiv versuchen, etwas Struktur ins Chaos zu bringen. Zuallererst sollten wir den Informationsfluss zu den Mitgliedern verbessern.
Eurokritiker: Kommen wir zu den politischen Themen. Bei Themen wie Souveränität, Euro, Abbau der Staatsverschuldung, Steuern, Einwanderung und Kriminalitätsbekämpfung herrscht in der AfD bereits große Einigkeit. Welche Themen brennen den jüngeren AfD-Mitgliedern am meisten unter den Nägeln?
Michael Espendiller: Die JA NRW hat beispielsweise ein Papier zum Tierschutz erstellt. Tierschutz sehe ich persönlich in Anbetracht der kommenden Probleme allerdings nur als Thema der zweiten Reihe. Besonders wichtig sind in meinen Augen die zukünftige Energieversorgung, Schulden, Generationengerechtigkeit und Renten im demographischen Wandel sowie die Europapolitik. Die zukünftigen Energiepreise bestimmen, ob wir als Wirtschaftsstandort noch attraktiv sind; die Schulden werden bald die Handlungsfähigkeit dieser Gesellschaft massiv einschränken; der demographische Wandel wird zu weiteren hohen Belastungen für die Arbeiter in diesem Land führen und die Europapolitik bestimmt unsere zukünftige Staatsform.
Ich sehe die EU als eine ernsthafte Gefahr für unsere Demokratie: Europa hat keine Öffentlichkeit und kein Staatsvolk. Die EU kann deshalb nicht als demokratischer Staat funktionieren. Der Historiker Thierry Baudet hat mal einen überzeugenden Artikel veröffentlicht mit dem bezeichnenden Titel „Die EU ist ein Imperium, und Imperien bedeuten Krieg“. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken haben wir vom Jugendverband aus für die kommende Europawahl ein 17 seitiges Wahlprogramm geschrieben, das die AfD hoffentlich diskutieren wird. Wir werden es auch noch weiter ausbauen. Das Feedback war bisher durchgehend positiv. Wir haben es bislang noch nicht veröffentlicht, sondern erstmal verschiedenen AfD-Mitgliedern gezeigt, aber schon jetzt haben 40 Leute unser Papier mitgezeichnet. Wir werden es nach dem NRW-Parteitag wohl auch intern in der Parteibasis zu Diskussion stellen.
Unsere wichtigste Forderung ist und bleibt aber: Nehmt Europa das Geld weg. Ein gemeinsames Europa braucht kein Budget von einer Billion Euro. Ein Binnenmarkt kostet kein Geld. Europa soll koordinieren, nicht zahlen. Wenn die EU endlich spart, können wir europaweit Steuersenkungen einleiten und in Deutschland beispielsweise den Soli streichen.
Eurokritiker: Hinsichtich der Einwanderung wird oft argumentiert, wir bräuchten dringend Einwanderer, um die Geburtenschwäche im eigenen Land auszugleichen. Dass Frauen in Deutschland deutlich weniger als zwei Kinder zur Welt bringen, ist seit Jahrzehnten Fakt. Die Geburtenrate liegt zwischen 1,3 und 1,4, das heißt, unsere Bevölkerung schrumpft. Laut Prognosen von Euro-Stat sinkt Deutschlands Einwohnerzahl bis 2030 um 17 Millionen Menschen. Als Statistiker wissen Sie, dass die Geburtenrate über 2 liegen muss, um diesen Trend aufzuhalten. Um den Trend nicht nur aufzuhalten, sondern umzukehren, müsste die Geburtenrate über mehrere Jahrzehnte wesentlich höher liegen. Auf der anderen Seite sind immer mehr Familien auf ein regelmäßiges Einkommen von Müttern angewiesen, weil sich die Kaufkraft seit Einführung des Euros deutlich gesenkt hat. Dieser ganze Schlamassel muss irgendwie gelöst werden. Die Altparteien ducken sich bei dem Thema weg und haben keine Lösungskonzepte außer mehr Kita-Plätzen und einer verstärkten Einwanderung. Was sagen Sie als Mathematiker und als Vertreter der jüngeren Generation zu diesem gigantischen Problem?
Michael Espendiller: Zunächst möchte ich auf den bekannten schwedischen Statistiker – Hans Rosling – hinweisen, der das Bevölkerungs- und Wohlstandsproblem dieser Welt mit Statistiken untersucht. Seine Aussage: Wir werden alle reicher und die Weltbevölkerung wird sich in ein paar Jahrenzehnten wohl bei 10 Mrd stabilisieren, so dass die Menschen auch in ihren Heimatländern gut leben können. Gucken Sie sich Singapur oder Dubai vor 20 Jahren an und vergleichen es mit heute.
Wir müssen uns in Deutschland mal überlegen, wie wir die hochqualifizierten Fachkräfte weltweit anziehen. Warum gehen diese lieber nach Amerika, England oder Kanada? Wir haben eine hochmoderne Industrie in einem lebenswerten Land. Bayern und Baden-Württemberg scheinen hier in Deutschland die Vorreiter zu sein, was den Zuzug von Hochqualifizierten angeht. Diese Attraktivität müssen wir auch im Ruhrgebiet und NRW durch den Ausbau moderner Industrie wieder aufflammen lassen.
Die Geburtenrate in Deutschland werden wir wohl ohne tiefgreifende Reformen nicht nach oben korrigieren können. Es werden ja heute schon erfolglos hunderte Millarden Euro in die Familienpolitik ohne nennenswerte Wirkung investiert. Wir brauchen auch eine Arbeitsmarktstruktur, die jungen Leuten die Möglichkeiten zur Familiengründung bietet. Insgesamt ist das hier ein hochkomplexes Thema, das in weitere Politikbereiche hineinstrahlt. Hier gilt wohl der Leitspruch der Mathematik „Ich habe keine Lösung, aber ich bewundere das Problem“. Wir geben nicht auf und arbeiten an einem Gesamtkonzept. Das wird allerdings wegen der Komplexität noch einige Zeit auf sich warten lassen.
Eurokritiker: Eine wichtige Frage bei der Europapolitik scheint zu sein, wie sich die AfD international vernetzt. Es gibt ja mittlerweile eine Reihe kritischer Parteien in verschiedenen Ländern, die die EU-Kommissare von ihrem hohen Ross herunterholen wollen und ihre Verordnungswut beschränken möchten. Schon lange bevor Martin Renner sein umstrittenes Date mit Nigel Farage von der UKIP hatte, ist die UKIP aus dem EU-Parlament auf die „Junge Alternative“ zugegangen und wollte eine gemeinsame Pressekonferenz organisieren. Zu dem Zeitpunkt, wo Sie von UKIP-Vertretern angesprochen wurden, hatte sich Bernd Lucke noch nicht zum Thema der Vernetzung in Europa geäußert. Es war nur klar, dass die AfD bezüglich des Euro einen gemeinsamen Nenner mit Richard Sulik von der slowakischen Partei SaS hat. Bezüglich der Verschlankung der EU gab es von Anfang an auch Gemeinsamkeiten mit David Cameron von den britischen Tories, was im Wahlprogramm der AfD sogar festgeschrieben ist. Nun hatte aber die UKIP ein Auge auf die AfD geworfen und wollte mit der „Jungen Alternative“ anbandeln. Wie ist das abgelaufen?
Michael Espendiller: Die Jugendorganisation der UKIP ist zufällig auf uns aufmerksam geworden und hatte uns zu ihrem Kongress in England eingeladen. Eine ähnliche Einladung hatten wir bereits im Vorfeld von der Fraktion der englischen Konservativen im Europaparlament – Allianz der europäischen Konservativen und Reformisten – bekommen. Alle Seiten haben uns weitreichende Unterstützung zugesagt. Man hatte Interesse an einer fundierten EU-Kritik aus Deutschland und wollte uns helfen. Wir müssten nur fragen. Das ist jetzt einige Monate her. Wir haben beide Einladungen höflich ausgeschlagen und verschoben, weil wir hier eben kein eigenintitiatives Vorpreschen wagen sollten. Insofern finde ich die Aktion von Herrn Renner auch als extrem undurchdacht. Wenn hier jeder alles macht, verärgern wir früher oder später zukünftige Freunde. Wir müssen Chaos verhindern. Internationale Kontakte müssen vom Bundesvorstand der AfD organisiert werden. Bei zukünftigen Treffen können wir gerne einen JA-Vertreter mitschicken, sofern es der AfD Bundesvorstand erlaubt.
Eurokritiker: Deutschland hinkt ja, was die EU-Kritik betrifft, ziemlich hinterher. Woanders sind EU-kritische Parteien den sogenannten „Volksparteien“ sehr viel dichter auf den Fersen, so dass die EU-Kommissare langsam kalte Füße kriegen, was sich da für die Wahl im Mai zusammenbraut. Wie wollen Sie speziell die Jungwähler dazu motivieren, im Mai die AfD zu wählen?
Michael Espendiller: Wir müssen den jungen Leuten klar machen, dass es hier um das Schicksal Europas geht. Im Mai 2014 entscheiden wir, ob wir die europäischen Nationen auflösen und in einer postdemokratischen supranationalen Institution aufgehen lassen oder ob wir unsere europäische Nationen behalten, die in einer europäischen Gemeinschaft zusammenarbeiten. Um den Bürgern etwas zu bieten, haben wir unser JA-Europawahlprogramm geschrieben.
Wir möchten die Energiemärkte stärker öffnen, damit die Energiepreise in Deutschland sinken. Wir kürzen des Budget der EU, damit wir die Steuerbelastung in diesem Land senken können. Wir verhindern die Bankenunion, damit die Leute nicht mit Ihrem Sparbuch für Finanzversager haften. Wer uns wählt, kann was erwarten.
Eurokritiker: Vielen Dank für das Interview!
Dieses Interview zum Stand und der Zukunft der Alternative für Deutschland ist in der Tat das Beste, was in letzter Zeit zum derzeitigen Zustand und den weiteren Zielen der AFD verlautbart wurde. Hierzu
ausdrückliche Gratulation gerade angesichts der augenblicklich in einigen Teilen dieser Partei einreißenden Irritation. Dieses Interview kann und wird möglicherweise insbesondere zugunsten eines weiteren Erfolgs der AFD wirksame Kreise ziehen gerade zur rechten Zeit, in der dort nunmehr tunlichst die Spreu vom Weizen zu trennen ist.