Als kooptiertes Mitglied ist Kerstin Garbracht bislang die einzige Frau im Landesvorstand der AfD NRW. Nach dem Rücktritt des Schatzmeisters hat auch sie ihr Amt zum nächsten Parteitag niedergelegt. Die Diplom-Ingenieurin, die einen internationalen Medien- und Informationsdienst für die Stahlindustrie betreibt, sagt, dass sich bei der Alternative für NRW grundsätzlich etwas ändern muss.
Eurokritiker: Es gab eine Rücktrittswelle im Landesvorstand NRW. Kriegen Sie die Reihenfolge noch zusammen?
Kerstin Garbracht: Ich meine, es folgten sehr schnell Dilger – Rohlje – Garbracht – Pretzell. Danach war erstmal Pause.
Eurokritiker: Es bringt wahrscheinlich nichts, das jetzt im Einzelnen zu analysieren. Aber zu Ihren eigenen Motiven könnten Sie etwas sagen.
Kerstin Garbracht: Bekanntermaßen enden Kooptierungen ohnehin mit der Amtsperiode des jeweiligen Gremiums. Mein aktiv erklärter Rücktritt sollte mehr ein Signal an die Verbliebenen darstellen, den Weg für Neuwahlen frei zu machen.
Eurokritiker: Drei Leute sind noch nicht zurückgetreten. Es finden also Nachwahlen statt für den Sprecher, einen Stellvertreter und bis zu fünf Beisitzer. Eventuell wird auch der gesamte Vorstand neu gewählt, weil es mehrere Anträge zur Abwahl des Vorstands gibt. Wofür werden Sie kandidieren?
Kerstin Garbracht: Das mache ich zunächst davon abhängig, wer zum Sprecher gewählt werden wird. Jörg Burger beispielsweise hätte meine volle Unterstützung. Auch Marcus Pretzell sehe ich als hervorragende Wahl für das Amt eines stellvertretenden Sprechers an. In einem von ihnen angeführten Team sähe ich mich auch sehr gut aufgehoben – dann würde auch ich kandidieren.
Eurokritiker: In Sachsen und in Schleswig-Holstein stehen Frauen an der Spitze der AfD. Warum kandidieren Sie nicht als Sprecherin? Sie sind doch als taffe, intelligente, leistungsfähige, medientaugliche Frau bekannt. Vor allen Dingen sind Sie unkaputtbar – Sie glauben ja gar nicht, wie oft schon der Satz fiel: „Frau Garbracht wird abgesägt!“ Offensichtlich ist der Respekt aber so groß, dass sich noch keiner getraut hat, eine Säge rauszuholen. Sind Sie der Albtraum der AfD-Herren?
Kerstin Garbracht: (lacht) Erst einmal danke für das Kompliment! In der Tat habe ich schon das Schild um den Hals, auf dem steht: „Tot Gesagte leben länger“! Gewisse Seilschaften hatten wiederholt Komplotte gegen mich geschmiedet. Nun, es gibt Menschen, die springen auf eine neue Partei auf wie auf ein neues Wirtstier. Schließlich ist da eine Chance etwas zu werden.
Für mich stehen die politischen Inhalte und Ziele der AfD im Vordergrund – sonst nichts. Damit bin ich natürlich automatisch ein Stachel für manchen anderen. Und als politisches Greenhorn sehe ich mich einfach nicht auf diesem Sessel – da sind andere besser qualifiziert!
Eurokritiker: So schlimm können Sie übrigens gar nicht sein. Prof. Dilger hat fast jedes ehemalige und amtierende Mitglied des Landesvorstands kritisiert – außer Sie, Herrn Esser und Herrn Rombeck. Von daher gab es wohl nichts zu meckern. Können Sie etwas zu Ihren verschiedenen Aufgaben sagen? Da ist ja einmal die Arbeit im Landesvorstand, dann sind Sie aber auch noch Sprecherin des Bezirksverbands Düsseldorf, und Sie leiten den Arbeitskreis Bildung & Forschung. Was davon hat Ihnen bis jetzt am meisten Spaß gemacht, was hat Sie besonders viel Nerven gekostet? Wo war Ihre Zeit sinnvoll eingesetzt, wo hatten Sie bislang das Gefühl, Zeit sinnlos zu verplempern?
Kerstin Garbracht: Nun, ich habe bei keiner dieser Aktivitäten Zeit verplempert. Im Bezirksvorstand sieht man mich ziemlich kontrovers, seit offensichtlich wurde, dass ich nach Kräften dafür sorge, dass alles gemäß Satzung seine Richtigkeit hat und einzig die AfD-Ziele verfolgt werden. Da gibt es Parteienwanderer, die ihre Erfahrung einsetzen und ganz offensichtlich Fußangeln auslegen. Erst kürzlich riet mir jemand: Du musst in deine Versammlungsleitung Fehler einbauen, damit du bei Bedarf die Möglichkeit hast, Beschlüsse anzufechten. Das ist gewiss nicht meine Art – ich bin offen und gerade heraus. Wenn mir dann – was natürlich vorkommt – Fehler unterlaufen, stehe ich dazu, versuche sie zu korrigieren und daraus zu lernen. Nur so kann ich besser werden.
Bei der Pressearbeit für den Landesvorstand sehe ich ebenfalls eine positive Entwicklung: zunächst hat die Presse uns radikal ignoriert, dann kamen einige vorsichtige, vorfühlende Telefonate, dann hier und da mal eine Anfrage, darunter Hörfunk, zwei aus dem Ausland. Zur Wahlparty hatten wir schon ein gutes Presseecho, mehrere TV-Sender kamen und machten diverse Interviews, aus denen Ausschnitte gesendet wurden. Auch jetzt ist die Presse am bevorstehenden Landesparteitag interessiert, zuletzt erst rief das ZDF an.
Genauso lieb ist mir die programmatische Arbeit im Arbeitskreis Bildung & Forschung. Wir sind ein tolles Team, die Arbeit macht richtig Spaß! Unser Paper, das Dr. Hein und ich zur Klausurtagung der Arbeitskreise präsentierten, fand positiven Anklang. Jetzt haben wir es mit einigen kleinen Ergänzungen als Antrag zum Landesparteitag eingereicht.
Eurokritiker: Wie schaffen Sie es überhaupt, neben Ihrer anspruchsvollen Arbeit noch drei zeitraubende politische Aufgaben zu übernehmen? Haben Sie andere Sachen dafür schleifen lassen?
Kerstin Garbracht: Ja natürlich. Es bot sich uns in diesem Sommer eine einmalige Konstellation, etwas zu ändern. Früher habe ich mich nie politisch engagiert. Hier fühlte ich mich in der Schuld. Deshalb stellte ich mich auf dem Parteitag in Schmallenberg mit einem Zitat aus der Amtseinführungsrede von J. F. Kennedy vor: „Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, frage, was Du für Dein Land tun kannst“. Das will ich auch weiter tun und sowohl mit der Pressearbeit als auch mit der Programmatik kann ich Synergieeffekte mit meinem Beruf nutzen.
Eurokritiker: So ein bisschen hat man aber doch das Gefühl, als hätten Sie vielleicht zu viel um die Ohren gehabt. Sie sind im Landesvorstand für die Pressearbeit zuständig. Am 7. Oktober enden die Einträge im „Pressespiegel“. Hatten Sie keine Lust mehr oder zu viele andere Sachen zu tun?
Kerstin Garbracht: Weder – noch! Als Georg von Zetschwitz noch die Website machte, bekam ich Zugriff und stellte die Pressemitteilungen nach einiger Zeit selbst ein. Da noch ein CMS fehlte, erledigte ich das in HTML. Mit ihm habe ich auch das Organigramm für die neue NRW-Website erarbeitet. Dann wurde ein CMS aufgesetzt und Georg gab die Website an jemand anderen ab. Nach dem Wechsel der Verantwortlichkeit wurde mir der Zugriff nicht mehr gewährt, so dass Pressemitteilungen von mir nicht mehr auf der Website erscheinen.
Eurokritiker: Da tun sich ja Abgründe auf: Die Pressesprecherin ohne Zugang zur Homepage. Das ist doch nicht normal. Warum haben Sie sich nicht beschwert?
Kerstin Garbracht: Der Landesvorstand ist über diese Situation informiert. Die Herren kennen sich – so scheint es mir – mit solchen Sachen nicht aus und folgern offensichtlich, dann könnte ich – als Mädchen? – davon auch keine Ahnung haben. Da ist es unerheblich, dass ich seit Mitte der 1990er Jahre mit/im Internet mit CMS wie TYPO 3 und Magento gearbeitet habe, für Kunden Websites kreiert und mit Content gefüllt habe, sowie eines der ersten Online-Medien in meiner Branche launchte.
Eurokritiker: Es ist ja nun schon einiges aus dem Landesvorstand „durchgesickert“. Zuerst kreiste ein offener Brief von Herrn Renner bei Facebook. Vor ein paar Tagen hat Prof. Dilger eine Reihe von Leuten aus dem Vorstand in seinem Blog kritisiert. Dr. Balke hat ebenfalls Stellung bezogen. Trauen Sie sich zu, eine einigermaßen objektive Gesamtbilanz aus Ihrer Zeit im Landesvorstand zu ziehen?
Kerstin Garbracht: (augenzwinkernd) Der Mensch an sich ist ein Subjekt – ich kann mich also höchstens um Objektivität bemühen! Lassen Sie mich es so formulieren: Die Menschen sind unterschiedlich, ihre Prioritäten divergieren und vor allem die individuellen Ziele sind nicht immer deckungsgleich – auch nicht unbedingt mit denen der AfD! Manch einer ist politisch ausgefuchst, ein Stratege und Taktierer vor dem Herrn, wieder andere gehen über Leichen, um ein persönliches Ziel zu erreichen. Einigen geht es wirklich um die Partei und ihre Programmatik. Das alles muss unter einen Hut. Doch die Menschheit teil sich in Solisten und Teamplayer. All das scheint sich durch sämtliche Strukturen hindurch zu ziehen und es verursacht Reibungspunkte. Nun ist Reibung an sich förderlich, denn es entsteht Energie. Manchmal gelang es, diese Energie zu nutzen. Ein besser aufeinander abgestimmtes Team könnte sicher einen höheren Wirkungsgrad erreichen.
Eurokritiker: Sind Sie sicher, dass wir das veröffentlichen sollen? Das ein oder andere Mitglied könnte den Eindruck gewinnen, dass das nicht die Art Alternative ist, die man sich vorgestellt hat. Es hört sich verdammt nach Altpartei an.
Kerstin Garbracht: Viele AfD-Mitglieder haben schließlich eine Parteivergangenheit und bringen naturgemäß eine Altlast mit (lacht) – ob sie wollen oder nicht. Das alte Motto: „Problem erkannt, Problem gebannt“ ist für mich auch hier der erste Schritt etwas zu verbessern. Transparenz heisst für mich das Zauberwort und zwar sowohl horizontal als auch vertikal.
Eurokritiker: Ja, Sie haben recht, Transparenz ist wichtig. Die Basis muss den gewählten Vertretern vertrauen können. Die meisten Mitglieder sind wegen Prof. Lucke in die AfD eingetreten und vertrauen ihm. Finden Sie es gut, dass Bernd Lucke Herrn Burger als neuen Sprecher für NRW empfiehlt?
Kerstin Garbracht: Darüber habe ich mich persönlich sehr gefreut. Herrn Burger habe ich vom ersten Kennenlernen in Schmallenberg an sofort geschätzt. Wie schon gesagt, ich würde mich mit Jörg Burger als Landessprecher sehr wohl fühlen!
Eurokritiker: Bis heute ist übrigens nicht klar, warum Herr Burger als Erster zurückgetreten ist und das auch noch mit sofortiger Wirkung. Dadurch konnte der Landesvorstand keine Beschlüsse mehr fassen. Hätte Herr Burger nicht etwas anderes tun können, um die Probleme zu lösen? Welche Möglichkeiten haben die Mitglieder des Landesvorstands, wenn sie merken, dass Dinge aus dem Ruder laufen?
Kerstin Garbracht: Ich glaube nicht, dass Herr Burger sich bei seinem Rücktritt dieser Tragweite bewußt war. Dies wurde zunächst von den Juristen im Landesvorstand auch noch kontrovers eingestuft.
Der Landesvorstand hat schon Handlungsmöglichkeiten, doch muss man, wenn man eine davon ergriffen hat, auch kontinuierlich dabei bleiben und nicht plötzlich aus taktischen Gründen zurückschrecken – oder gar den Kollegen/die Kollegin, die beauftragt wurden, im Regen stehen lassen.
Eurokritiker: Was man nicht vergessen darf: Die Mitglieder des Landesvorstands haben nebenbei auch noch Programmarbeit gemacht. Sind die Rahmenbedingungen dafür optimal gewesen? Ist dabei viel für das Gesamt-Programm der AfD erreicht worden? Welche Themen wird der Arbeitskreis Bildung & Forschung vorstellen?
Kerstin Garbracht: Wenn man anfängt sich mit Themen und Strukturen zu befassen, lernt man immer, dass man etwas hätte anders machen können. Ich hätte mir eine Vernetzung der Arbeitskreise quer durch die Landesverbände gewünscht. Mit dem Kollegen aus Bayern habe ich mal Kontakt gesucht und erfahren, dass wir bei der Bildung ziemlich auf einer Wellenlänge liegen. Hinsichtlich Forschung waren wir in NRW weiter. Allerdings heisst der Arbeitskreis in Bayern Familie und Bildung – Gebiete, die in NRW auf zwei Arbeitskreise verteilt sind.
Unser Themenpapier formuliert: Das Ziel jeglicher Bildung besteht in der Ausbildung und Förderung von Talenten, so dass sich die Heranwachsenden erfolgreich zu eigenständigen und glücklichen Mitgliedern der Gesellschaft entwickeln. Um dies zu erreichen, brauchen wir bundeseinheitliche hohe Ausbildungsstandards orientiert an den besten Schulen der Welt. Gleichzeitig fordern wir die Beendigung jeglicher Schulformexperimente mit der Konsequenz eines 3-gliedrigen Schulsystems.
Wir möchten Schüler besser auf das tägliche Leben vorbereiten und deshalb Fächer wie „Financial education“, Gesundheit/Ernährung einführen als auch das Sportangebot ausweiten. Mir liegt besonders am Herzen, dass auch überdurchschnittlich Begabte endlich gefördert werden.
Unsere Universitäten mögen auf dem Humboldtschen Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre fußen. Und die Bologna-Reform sehen wir als gescheitert an. Deshalb schlagen wir eine saubere Trennung zwischen Universitäten mit akademischer Bildung und Fachhochschulen mit akademischer Ausbildung vor.
Eurokritiker: Das war bis jetzt alles schon sehr aufschlussreich. Vielen Dank! Als einzige Frau aus dem Landesvorstand dürfen Sie zum Schluss einen Tipp abgeben: Stellen Sie sich vor, Sie wären Sprecherin in NRW – welche drei AfD-Mitglieder wären Ihr Dreamteam auf den drei Stellvertreterpositionen und warum?
Kerstin Garbracht: Als stellvertretende Sprecher? Auf jeden Fall Marcus Pretzell, Mario Mieruch und Fabian Jacobi. Damit hätten wir schon mal vier von fünf Bezirksverbänden im Landesvorstand vertreten. Marcus und Mario habe ich schon lange vor den Ratinger Nachwahlen zum LV bei erweiterten Landesvorstandssitzungen kennen- und schätzen gelernt. Ich denke, wir ergänzen uns prima, bilden ein gutes Team, das Wunschsprecher Jörg Burger zur Seite stehen, den Rücken stärken und entlasten kann. Pretzell ist ein hervorragender Experte der Jurisprudenz. Mario ist Diplom-Ingenieur, denkt also ebenfalls logisch und lösungsorientiert, außerdem kann er als ruhender Pol fungieren. Fabian Jacobi ist fit in den wichtigen Themen der Wahlmodalitäten, ein unverzichtbarer Berater für die bevorstehenden Wahlen.
Aber wie gesagt mein Wunschkandidat als Sprecher wäre Jörg Burger. In seinem Team und mit Marcus und Mario – da könnte ich doch glatt auch Lust bekommen, zu kandidieren …
Eurokritiker: Vielen Dank für das Interview!
Nachtrag: Die Pressesprecherin Frau Garbracht macht darauf aufmerksam, dass der Bezirk Bielefeld für den Landesparteitag einen Live-Ticker einrichten will