Was werfen Sie den etablierten, insbesondere auch den derzeitigen Regierungsparteien vor?
Lucke: Dass sie nicht langfristig denken. Natürlich kann man den Euro noch ein paar Jahre erhalten, indem man Unsummen Geld in das System stopft. Oder man kann an den gröbsten Auswirkungen der Energiewende herumdoktern, indem man eine Novelle des EEG nach der andern macht. Oder man kann in eine Bankenunion hineinstolpern, deren Konturen noch gar nicht klar sind, die aber das große Risiko einer gemeinschaftlichen Einlagensicherung birgt. Oder man kann die Leistungen unserer Sozialversicherungssysteme drosseln, um die Auswirkungen des demographischen Wandels zu übertünchen. Aber was man eigentlich machen müsste ist, problemadäquate Lösungen zu finden statt an den Symptomen zu kurieren.
Was sind die Ergebnisse und Konsequenzen dieser Fehler?
Lucke: Wir verbauen uns unsere langfristigen Zukunftsperspektiven. In Europa wuchern wir in eine Transferunion hinein, die keinen klaren Regeln folgt, die aber unsere künftige finanzielle Handlungsfähigkeit bedroht. In der Energiepolitik begeben wir uns in die Abhängigkeit von Stromerzeugungstechniken, die unzuverlässig und überteuert sind. Darin haben wir uns auf bis zu 20 Jahre gebunden und gefährden so den Wirtschaftsstandort Deutschland und belasten die Haushalte über Gebühr. Bei der Bankenunion setzen wir ein relativ stabiles und gut funktionierendes Bankensystem den Risiken aus, die in den sehr viel schlechter aufgestellten Finanzsystemen anderer Länder existieren. Und in den Sozialversicherungssystemen laufen wir sehenden Auges in ein riesengroßes Finanzierungsproblem, statt rechtzeitig beherzte Schritte für mehr kapitalbildende Vorsorge einzuleiten. Seit der Einführung der Riester-Rente ist jeder Reformwille erlahmt.
Wie würde Europa aussehen, wenn Sie es aktiv gestalten könnten? → Lucke (AfD): „Europas Sparer sanieren die Schuldner