Die Welt hat heute einen Artikel veröffentlicht, der den Titel „Das sind die wirklich guten Argumente für den Euro“ trägt. Auffallend ist, dass die vorgetragenen Pro-Euro-Rettungs-Argumente sich von der ökonomischen Betrachtungsweise stark entfernen. Die bisher von den Euro-Rettungs-Befürwortern angeführten Argumente werden als „Die schlechten Argumente für den Euro“ aufgelistet. Das ist interessant, zeigt es doch, dass die Alternative für Deutschland innerhalb kürzester Zeit mit folgenden Erzählungen der Euro-Rettungsindustrie aufräumen konnte:
- Man muss kein Geld mehr wechseln
- Kein Wechselkursrisiko mehr
- Der Euro ist stabiler als die D-Mark
- Der Euro beflügelt die deutschen Exporte
- Neue D-Mark würde dramatisch aufwerten
Typische Merkel-Mantras wie „Wir profitieren davon, dass wir beim Reisen keine lästigen Umtauschgebühren mehr bezahlen müssen“ und „Wir profitieren von der Preisstabilität“ werden durch ein neues Narrativ ersetzt. Dieses spielt in einer fernen Zukunft, wird genährt von Symbolträchtigkeit oder setzt auf Drohkulissen.
Hier die Euro-Mantras 2.0:
1. Der Euro als Zeichen der Integration
Weil wir in Europa verschiedene Sprachen sprechen, bräuchten wir dringend etwas Gemeinsames heißt es. Zitiert wird Jörg Asmussen, Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB): „Der Euro ist das greifbare Zeichen der europäischen Integration.“ Die gemeinsame Währung habe „einen hohen symbolischen Wert für die Einigung des einst von Krieg zerfressenen Kontinents“ heißt es weiter.
Nettes Argument, aber wenn genau dieses gemeinsame „Symbol“ hoffnungslos versagt, erreicht man damit nicht eher das Gegenteil? Als gemeinsames Symbol hätte man sich vielleicht lieber etwas Unverfängliches einfallen lassen sollen. Die EU hatte Jahrzehnte Zeit dazu. Die EU hat sich in ihrer Großmannssucht aber lieber zu einem riskanten Manöver entschieden – über die Köpfe der Bürger hinweg.
Eine Währung muss für alle Teilnehmer sicher funktionieren und das tut sie in diesem Fall nicht. Jeder weiß heute, dass der Euro mehr als einen Konstruktionsfehler hat. Es gibt bis heute kein Patentrezept, wie man denn den Euro sicher und funktionsfähig hätte gestalten können. Derart mit dem Geld der Bürger zu experimentieren, ist ganz einfach eine Frechheit und Schindluder ersten Grades. Der Euro ist längst zum Negativ-Symbol geworden. Er steht für Desintegration. Das Argument zieht also überhaupt nicht.
2. Europa ist eine Weltmacht, Deutschland nicht
Soso, der Euro soll also Weltmachtsgelüste befriedigen… Unser Vorbild sollen nicht etwa die USA sein, sondern China!
Wer schon einmal auf wichtigen internationalen Konferenzen war, weiß, wie die Chinesen da auftreten. Häufig geben sich die Delegationen aus Peking nicht mit den normalen Konferenzhotels der anderen Teilnehmer zufrieden, sondern mieten eigene Luxusherbergen.
So möchten die EU-Bonzen natürlich auch gerne auftreten… toll! Und diesen machtgeilen chinesischen Traum sollen wir möglich machen.
Noch glauben viele Deutsche, die Bundesrepublik sei wirtschaftlich stark genug, um deutsche Interessen weltweit durchzusetzen. Die Verhandlungen um den internationalen Klimaschutz aber beweisen das Gegenteil: Berlin läuft gegen Mauern.
Wir haben doch bestimmt einen Klima-Kommissar bei der EU, soll der sich doch darum kümmern. Was hat das mit dem Euro zu tun?
Ebenso schwer tun wir uns bei der Sicherung wichtiger Rohstoffressourcen im Konkurrenzkampf mit China.
Auch hier hält niemand die EU davon ab, einen Rohstoff-Kommissar zu ernennen. Vielleicht kann man den Olivenölkännchen-Kommissar dazu bewegen, sich in Zukunft um Erdöl und ähnliches zu kümmern? Bezahlt wird trotzdem noch in Dollar! Was hat das also mit dem Euro zu tun?
Bei der Welt folgen ein paar markige Sätze, wie sie auch mangels nüchterner ökonomischer Argumente gerne in Polit-Talkshows abgeworfen werden:
Nur die Euro-Zone als Ganzes kann – wenn sie gestärkt aus der Krise hervorgeht – Europas Interessen weltweit wahren. Geeint ist der Kontinent eine Weltmacht. Zu einer wirtschaftlichen Weltmacht gehört aber auch eine Weltwährung.
Dass es sich um reine Utopie geht und nicht um die Realität, sieht man an der Redewendung „wenn sie gestärkt aus der Krise hervorgeht“. Was ist denn, wenn die Eurozone platt und k.o. aus der Krise hervorgeht? Wer sagt denn überhaupt, dass diese Krise aufhören wird, solange diese Fehlkontruktion existiert? Und was ist mit den europäischen Staaten, die keinen Euro haben – kann die dortige Industrie keine Rohstoffe auf dem Weltmarkt kaufen???
Das Ganze ist wieder ein Scheinargument: Um überhaupt Rohstoffe einkaufen zu können, braucht man eine gesunde Wirtschaft, die Rohstoffe bezahlen und in marktfähige Produkte verarbeiten kann. Man braucht eine Bevölkerung mit gesundem Einkommen, die die hergestellten Waren kaufen kann. Alles das ist unter dem Euro in Gefahr. Von daher zieht auch dieses Argument nicht. Siehe hierzu auch Bernd Lucke:
3. Der Euro als Demokratisierer
Hier muss man schon bei der Überschrift lachen! Die schizophren anmutende Argumentation lautet:
Die seit drei Jahren andauernde Krise treibt die bestehenden demokratischen Systeme in einigen Ländern wie Griechenland an den Rand ihrer Funktionsfähigkeit. Sie ist damit aber auch eine Chance für diese Staaten. „Die Euro-Krise ist ein Resultat von Demokratieversagen in den betroffenen Ländern“, sagt Professor Jürgen Neyer von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder.
Das Argument muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Weil die Menschen in den südlichen Ländern sich nichts aufzwingen lassen wollen, also von ihren demokratischen Rechten Gebrauch machen und Politiker wählen, die ihnen Sparzwänge vom Leib halten, gibt es dort ein „Demokratieversagen“. Dann muss man die Leute also zu ihrem „Glück“ zwingen??? Genau das:
„Sie brauchen daher die Anbindung an Europa. Sie brauchen Europa als Mast der Vernunft, um sich vor den Versuchungen der nationalen Klientelpolitik zu schützen“, sagt der Politikwissenschaftler. Das heißt: Die Reformvorschriften der Rettungspakete erzwingen Änderungen nicht nur im Finanzgebaren dieser Länder, sondern in den demokratischen Strukturen der Krisenstaaten, zu denen die herrschenden Eliten dort allein weder in der Lage noch Willens wären.
Der Euro als Willenbrecher wäre dann wohl die passendere Überschrift für diesen Abschnitt gewesen. Denn mit Demokratie ist der Euro offenbar nicht zu halten. Das klang bereits im Herbst 2011 bei EU-Kommissionspräsident Barroso an, als er vor dem EU-Parlament sagte:
„Das dauert alles zu lange. Die Märkte sind ungeduldig, die Demokratie ist zu langsam.“
Über ein solch finsteres Kapitel wollen wir lieber nicht weiter nachdenken! Man kann von anderen Ländern, ihren Regierungen und ihren Wählern halten, was man will, aber wer die Demokratie aushebeln will und Völker „zu ihrem Glück zwingen“ will, der kann gerne nach China gehen. Für Europa muss es einen anderen Weg geben.
4. Die langfristige Euro-Dividende
Dieser Abschnitt startet durchaus realistisch:
Durch die gemeinsame Währung sollten die Länder zusammenwachsen. Diese Vorstellung wirkt heute zwar fast schon überholt, denn derzeit scheint die Gemeinschaftswährung nur noch Zwietracht zu säen. Die südeuropäischen Länder fühlen sich vom Spardiktat des Nordens gegängelt, dort wiederum sieht man sich als Melkkuh der Krisenstaaten.
Weiter geht es wieder mit Utopie:
Doch diese Konstellation kann sich wieder umdrehen.
Dann kommt im Prinzip nichts anderes als das, was dem Leser schon im vorigen Abschnitt verkauft wurde:
Denn gerade die Südeuropäer könnten langfristig vom Euro profitieren, sofern die Währungsunion allein der Preisstabilität verpflichtet bleibt, argumentiert Ökonom Thomas Mayer. Das veranlasse die Länder zu Disziplin, weil sich Probleme nicht mit der Notenpresse lösen lassen.
Alles im Konjunktiv. Alles nicht faktenbasiert. Tatsache ist: das Problem WIRD mit der Notenpresse gelöst, weil die EZB schon am Ende ihrer Weisheit angelangt ist. Zu Haushaltsdisziplin ist noch nicht einmal mehr Frankreich bereit. Damit ist der Euro am Ende.
„Der Euro sollte wirtschaftspolitisch zu einer Entziehungskur zwingen, man wird fit und lebt gesünder, das war die Idee. Damit wäre den Menschen in ganz Europa langfristig gedient“, sagt Mayer.
In Systemen wie China kann man Zwangs-Diäten verordnen, den Leuten sogar vorschreiben, dass sie morgens Gruppengymnastik zu machen hätten und dass sie nur ein Kind kriegen dürfen. Hier aber nicht. Es gruselt einen geradezu, in einer der führenden Tageszeitungen solche Dinge zu lesen.
Auf dieses „Argument“ hat man ja nur gewartet:
Umgekehrt hätte ein Euro-Austritt für Deutschland eine schmerzliche Folge: Eine antideutsche Stimmung im Rest Europas würde die Exportwirtschaft wohl härter treffen als alle rechnerischen Aufwertungseffekte.
So wie es jetzt ist, trifft uns der Vorwurf der Spar-Diktatur. Mit anderen Worten: wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera. Sollten wir da nicht wenigstens die Krankheit mit den schlechteren Heilungschancen vermeiden?
Mit der Spar-Dikatur sollen die vielen Konstruktionsfehler des Euro kaschiert werden. Lässt sich die Spar-Diktatur nicht aufrecht erhalten, fällt der Euro wie ein Kartenhaus zusammen. Zu dem Zeitpunkt sind unsere Familien, Sparkonten, Renten und die mittelständische Wirtschaft vollends geplündert. Was wollen wir dann noch produzieren und gar exportieren? Und wer soll es kaufen?
Das Ganze ist eine Gratwanderung und ein Teufelskreis. Man muss endlich an irgendeiner Stelle wieder sicheren Boden unter die Füße bekommen, sichere Rahmenbedingungen schaffen. Eine der wichtigsten Rahmenbedingungen für eine funktionierende Volkswirtschaft ist eine zur Volkswirtschaft passende Währung.
Man sollte sich endlich von dieser fixen Idee der Symbol-Politik verabschieden. Man muss den Euro sehen als das, was er ist: er ist kein Symbol, sondern eine Währung, also ein Zahlungsmittel und Mittel zur Wertaufbewahrung. Zu letzterem taugt der Euro nicht. Die Idee der Gemeinschaftswährung in Europa ist gescheitert. Sie ist zu groß aufgezogen worden, enhält mehrere Fallstricke und setzt Demokratie und Marktwitschaft außer Kraft. Gehen wir diesen verhängnisvollen Weg weiter, dann werden wir uns tatsächlich mit einer immer miserableren Stimmung in Europa konfrontiert sehen. Man muss die Währungsunion so weit entflechten, dass sie funktionsfähig ist, man muss Parallelwährungen und ein Wechselkurssystem schaffen. Alles andere ist Utopie.
5. Eine Frage von Krieg und Frieden
Zum Status von 1998, also vor der Euro-Einführung, führt kein Weg zurück. Ein Auseinanderbrechen des Euro könnte „von nationalistischen und europafeindlichen Kräften unmittelbar instrumentalisiert werden, auch gegen andere Bereiche der Zusammenarbeit in Europa anzugehen“, warnt Daniela Schwarzer.
Es ist schier unglaublich, mit welchen Geschützen diese Politologin von der Stiftung Wissenschaft und Politik auffährt. Noch abgedroschener ging es wohl nicht?
In Griechenland, Italien und anderen Ländern ist das längst der Fall.
Ja, und zwar WEGEN des Euro. Das sind die Risiken und Nebenwirkungen des Menschenexperiments Euro. Wann wird das endlich kapiert?
Politikwissenschaftler Neyer geht sogar noch weiter: „Die Euro-Einführung dient dazu, Deutschland in Europa einzubinden, sodass die Bundesrepublik keinen dritten Weg geht.“
Man kann nur staunen. Eingangs schwämt man uns von den Chinesen vor, von ihren Luxushotels und ihrer Arroganz, mit der sie vorgehen und dass Europa sich davon eine Scheibe abschneiden könne, dass Europas Kommissar-Bonzen auch so mächtig werden sollten. Im weiteren kommt zum Vorschein, dass die bisher in Europa gelebte Demokratie auf dem Weg zu chinesischen Verhältnissen leider hinderlich sei und wir alle im Gleischschritt marschieren sollen, uns zwangsbeglücken lassen sollen. Die Deutschen sollen jetzt keineswegs aus diesem System ausscheren. Geht’s noch???
Aber klar doch wollen wir nach zwei Dikataturen einen „dritten Weg“ gehen! Dieser Weg heißt: Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft, Stabilität, Verlässlichkeit. Wenn wir diesen Weg alleine gehen müssen, gehen wir ihn eben alleine! Wir sind uns aber ziemlich sicher, dass wir auf diesem Weg nicht alleine sein werden. Nur auf positiver Basis werden wir echte Gemeinschaft in Europa haben. Nicht auf dem Boden großmannssüchtiger, zentralistischer Utopien, Zwangsbeglückungen ganzer Völker und Gleichschaltungs-Marschbefehlen!
Man muss sich noch einmal vor Augen führen, mit welcher Selbstverständlichkeit uns hier die drei Welt-Schreiber Jan Dams, Anja Ettel und Sebastian Jost mit diesen haarsträubenden „Argumenten“ wollen: „Das sind die wirklich guten Argumente für den Euro. Deutschland kann nicht mehr ohne den Euro, das ist herrschende Meinung in Politik und Wissenschaft. Doch die richtigen Argumente für die Gemeinschaftswährung werden viel zu selten genannt“ steht über dem Artikel. Mediale Gehirnwäsche in Reinkultur. Null Fakten, dafür umso mehr schizophrene Phantasien und chinesisch angehauchte Utopien. Der Euro als Vehikel zur Kulturrevolution – nein danke!
Zum Schluss werfen wir noch einen Blick in die über 180 Leserkommentare:
Ein einziges Argument reicht um diesen Artikel als Unsinn zu entlarven: Der Zustand Europas vor der Euroeinführung, und der erbärmliche Zustand heute.
Wie wäre es, wenn man zur Beurteilung der Lage mal die Fakten heranziehen würde, auch wenn es dann weder eine Gehaltserhöhung noch eine Beförderung gibt..!
Es werden Debatten um soziale Gerechtigkeit geführt und um Gleichheit. Es wird umverteilt, was gar nicht mehr vorhanden ist – es wird Substanz konsumiert, statt neue aufzubauen. So wird das nix – aber der restlichen Welt passt das ganz gut 🙂
In der Welt gibt es auch eine passende Umfrage, die zur Zeit bei 372 abgegebenen Stimmen 17% für den Verbleib in der Eurozone zu 83% Austritt aus dem Euro steht.
Siehe auch: +++ Euro-Politik ist das Geschäft mit der Angst der Menschen +++