Drei Dinge sind diese Woche passiert: 1. Die EZB hat den Leitzins auf 0,5% gesenkt. 2. Die Lage auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt hat sich verbessert. 3. Der Dax stieg auf ein Rekordhoch. Wird nun alles gut? Die FAZ analysiert die Lage und kommt zu dem Schluss, der Anstieg des Dax sei ein Akt der Verzweiflung. Der niedrige Leitzins bringt nichts – außer dass er die deutschen Sparer zur Verzweiflung treibt.
Zunächst passierte relativ wenig. „Die Zinssenkung war erwartet worden“, sagten die Börsianer. Das Bild änderte sich aber gewaltig am Freitag. Anlass waren gute Zahlen vom amerikanischen Arbeitsmarkt. Nicht nur der amerikanische Aktienindex Dow Jones stieg auf ein Rekordhoch. Auch der Dax in Deutschland ließ sich anstecken und ging mit 8122 Punkten ins Wochenende – der höchste Schlusskurs seit der Einführung des Index vor fast 25 Jahren.
Wie passt das zusammen? Schließlich waren es schlechte Nachrichten aus Europas Wirtschaft gewesen, mit der die Zinssenkung begründet wurde. Die Hoffnungen schwinden, dass die Konjunktur in Europa sich im zweiten Halbjahr beleben wird. Zuletzt senkte die EU-Kommission ihre Prognose und erwartet nun einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,4 Prozent. Selbst in Deutschland, das lange der Krise getrotzt hatte, spürten Unternehmen wie VW und BMW in den ersten drei Monaten dieses Jahres die Flaute auf den Absatzmärkten in Südeuropa recht deutlich.
Erklären lässt sich die Euphorie an den Aktienmärkten nur mit der Verzweiflung der Anleger über die mickrigen Zinsen. Die Stimmung ist nur deshalb so gut, weil die Alternativen so schlecht sind. Für Anleihen, Sparbriefe, Tagesgeld und andere festverzinsliche Anlagen gibt es kaum noch Rendite. Deshalb nehmen die Anleger jede halbwegs gute Nachricht aus der Weltwirtschaft (wie jetzt vom amerikanischen Arbeitsmarkt) zum Anlass, um Aktien zu kaufen.
Ein Zeichen, dass die Zinssenkung Deutschland gut tut, ist der Dax-Höhenflug auf jeden Fall nicht. Im Gegenteil: „Die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank war gut für die Länder Südeuropas, aber schlecht für Deutschland“, sagt Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank.
Die Zinssenkung war deshalb ein Zugeständnis an Südeuropa. „Die Defizitländer haben im Rat der EZB die Mehrheit“, sagt Krämer. „Sie dürften die Zinssenkung durchgesetzt haben.“
Zu niedrige Zinsen führen aber nicht nur zur Verärgerung von Sparern, die fast nichts mehr bekommen. „Die niedrigen Zinsen treiben Anleger in zu hohe Risiken“, sagt Krämer. „Zum Teil ist das gewollt, weil Anleger die Staatsanleihen südeuropäischer Staaten kaufen sollen. Die höhere Nachfrage nach südeuropäischen Staatsanleihen soll die Zinsen, die diese Staaten für ihre Verschuldung zahlen müssen, nach unten treiben.“
Dass die niedrigen Zinsen dagegen die Konjunktur in Europa merklich beleben – das glaubt kaum ein Experte. „Die Zinssenkung ist eine symbolische Maßnahme“, sagt Andreas Höfert, Chefvolkswirt der Schweizer UBS.
Unter normalen Umständen könnte eine Zinssenkung dazu führen, dass Unternehmen in Ländern mit einer Rezession wie in Südeuropa sich billiger Geld leihen können und deshalb mehr investieren. Das könnte die Wirtschaft beleben. Aber die Lage in Südeuropa ist durch die Eurokrise alles andere als normal. Die Länder Südeuropas steckten in einer „Liquiditätsfalle“, wie sie der britische Ökonom John Maynard Keynes beschrieben hat, sagt Hans-Werner Sinn, der Chef des Münchener Ifo-Instituts.
Was er meint: In schweren Wirtschaftskrisen kann eine Situation eintreten, in der die Geldpolitik an ihre Grenzen stößt. Obwohl die EZB schon mehrfach die Zinsen gesenkt hat, hat dies in Südeuropa keinen Effekt. Und zwar, weil die Banken keine zusätzlichen Kredite an die Unternehmen vergeben. Zum einen haben sie nämlich selbst noch mit eigenen Problemen zu kämpfen – mit verdeckten Lasten in ihren Bilanzen zum Beispiel. Und zum anderen können sie das Risiko, dass ihre Kreditnehmer ausfallen, wegen der Krise nur schwer einschätzen. Der Risikoaufschlag, den südeuropäische Firmen auf die Zinsen für Kredite zahlen müssen, ist deshalb derzeit viel entscheidender als die Höhe der Leitzinsen.
„Keynes meinte, aus einer solchen Situation kämen Länder nur mit staatlichen Ausgabenprogrammen heraus“, sagt Krämer. „Das ist im Fall Südeuropas aber ausgeschlossen, weil diese Länder schon jetzt zu hoch verschuldet sind.“ Den Ländern helfe nur „ihre wirtschaftspolitischen Hausaufgaben zu machen und zu sparen“. (…)
Gleichwohl gebe es in Deutschland schon jetzt eine Form von Inflation, die sogenannte Vermögenspreisinflation. „Das merkt man zum Beispiel, wenn man ein Haus in Königstein im Frankfurter Umland kaufen will“, sagt Krämer. „Zu einer breiten Inflation, die man in den Supermärkten spüren würde, kommt es in Deutschland nicht, weil die Banken das Zentralbankgeld aus Vorsichtsgründen noch horten.“
Geht Herr Krämer ab und zu mal selber einkaufen, dass er das so genau weiß? Die normale deutsche Durchschnittsfamilie kann mittlerweile wöchentlich mehr Geld an der Supermarktkasse hinblättern! Nächste Woche will Aldi die Milchprodukte um 10 % erhöhen… Dass bei uns die Immobilienpreise steigen, liegt daran, dass die EZB die Südländerbanken flüssig hält und dieses Geld in Sachwerte im Ausland investiert wird. Anstatt in Griechenland eine Fabrik zu bauen, werden lieber Immobilien in deutschen Städten aufgekauft. Solange Griechen und Spanier denken, dass ihr Geld woanders besser aufgehoben ist, wird sich an der Lage nichts ändern. Und bei uns steigen die Mieten!
Ein FAZ-Leser sagt dazu:
von den Werteschaffenden zur Staats- und Kreditwirtschaft.
Die Menge der realen Werte bleibt gleich, nur eine Gruppe eignet sich immer mehr Zugriff darauf an. Ein Raub auf Raten, der seinen Ursprung in der Aufweichung des Eigentumsschutzes hat, der schon seit biblischen Zeiten einen der Grundpfeiler der Zivilisation bildet.