Die Europäische Zentralbank senkt den Leitzins von 0,75 auf 0,5 Prozent. Sie will damit die Wirtschaft ankurbeln. Aber wenn das bei 0,75% Zinsen für Zentralbankgeld nicht gelang, wird sich auch jetzt nichts ändern. Für Leute, die sparen möchte, ist dies eine Hiobsbotschaft, da Sparen sich ganz einfach nicht lohnt – im Gegenteil – die Ersparnisse werden aufgefressen. Die EZB will außerdem ein weiteres Jahr ihr Zentralbankgeld in inbegrenzter Höhe verleihen (im Normalfall müssen Banken für Kredite in Auktionen bieten).
Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins für die Euro-Länder von 0,75 auf das Rekordtief von 0,5 Prozent gesenkt. Die historische Maßnahme ist hoch umstritten.
Die Zinssenkung der EZB hat die Anleger an den Finanzmärkten weitgehend kalt gelassen.
Vor allem die Wirtschaft in Europas Krisenländern kommt nicht wie erhofft in Schwung. Griechenland, Italien, Portugal, Spanien – sie alle ächzen unter harten Reformen und hoher Arbeitslosigkeit.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht die Zinssenkung skeptisch. „Der Zinsschritt nach unten ist ein Tribut der EZB an die Rezession in weiten Teilen der Eurozone. Ob er hilft, ist allerdings sehr fraglich“, erklärte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Die Banken hätten bereits zuvor genügend Liquiditätsspielraum für die Unternehmensfinanzierung, nutzten ihn aber nicht.
Sparkassen, Genossenschaftsbanken und die Versicherungsbranche in Deutschland hatten sich gegen eine Zinssenkung ausgesprochen. Die Spitzenverbände der Branchen erklärten, eine neue Zinssenkung wäre „ein falsches Signal für Sparer und alle, die für das Alter vorsorgen“.
Jede weitere Absenkung lasse „die Sparguthaben schmelzen“ und bedeute „einen sinkenden Anreiz für das Sparen und Vorsorgen“.
Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, übte ebenfalls Kritik. „Der Effekt auf die Refinanzierungsbedingungen der Banken und die Liquidität wäre sehr gering“, sagte Fratzscher dem „Handelsblatt“.
„Das Problem, dass die Geldpolitik viele Unternehmen in den Krisenländern nicht erreicht, liegt sicher nicht an zu hohen Zinsen, sondern an den Problemen der Banken und weiterhin hohen Risiken“, so der 42-jährige Wissenschaftler, der sich in seinen Forschungen vor allem auf die europäische Schuldenkrise kapriziert hat.
Fratzscher ist zudem der Ansicht, dass eine Zinssenkung nicht nur als positives Signal verstanden werden könnte: „Märkte und Unternehmen könnten sie so interpretieren, dass die EZB sich weit größere Sorgen um die konjunkturelle Situation im Währungsgebiet macht als erwartet.“
Wozu die Zinssenkung eigentlich dient: zur billigen Kreditaufnahme für marode Staatshaushalte!
In der Erwartung sinkender Leitzinsen hatte Frankreich Geld am Anleihemarkt so günstig wie nie zuvor erhalten. Am Donnerstag verkaufte die zweitgrößte Euro-Volkswirtschaft Staatspapiere mit richtungweisender Laufzeit von zehn Jahren zu einem Mini-Zins von 1,81 Prozent. Das geht aus Angaben der französischen Schuldenagentur hervor.
Die Auktion spülte rund vier Milliarden Euro in die Kasse. Bereits im Vormonat hatte Frankreich mit 1,94 Prozent einen Niedrigzins-Rekord in diesem Laufzeitbereich aufgestellt, der nun nochmals unterboten werden konnte. Die Auktion erfolgte kurz vor dem Zinsentscheid der EZB.
Außerdem senkte die Notenbank den Zinssatz, zu dem sich Banken notfalls über Nacht zusätzliches Geld leihen können, um 0,5 auf 1 Prozent.Die Zinsen, die Banken bekommen, wenn sie überschüssiges Geld über Nacht bei der EZB deponieren, beließen die Währungshüter hingegen bei null Prozent, senkten diesen in der Öffentlichkeit wenig bekannten, aber wichtigen Zinssatz also nicht in den negativen Bereich herab.
EZB-Präsident Mario Draghi schließt weitere Zinssenkungen angesichts der Wirtschaftskrise im Euroraum nicht aus. „Wir sind zum Handeln bereit“, sagte der Notenbankpräsident. Er begründete die Leitzinssenkung wesentlich mit der schwachen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Währungsunion. „Die Lage am Arbeitsmarkt ist schlecht.“ Die pessimistischere Stimmung in der Wirtschaft habe sich zudem ausgedehnt. „Die Zinssenkung soll die Erholung im weiteren Jahresverlauf unterstützen“, sagte Draghi.
Neben der Zinssenkung verkündete Draghi, dass sich Banken noch ein Jahr länger – mindestens bis zum 9. Juli 2014 – unbegrenzt Geld zum Leitzins bei der EZB leihen können. Vor Ausbruch der Finanzkrise mussten die Banken noch um die Milliarden-Kredit der Notenbank in Auktionsverfahren bieten.
Die nun verkündete Zinssenkung ist nach Ansicht des stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionschefs Michael Meister vertretbar. „Die jetzige Zinsentscheidung ist für Deutschland allein betrachtet zwar nicht unbedingt optimal, es gibt aber auch keinen Grund, sie zu dramatisieren“, sagte er: „Die EZB muss in ihren geldpolitischen Entscheidungen den gesamten Euro-Raum im Blick haben und nicht nur ein einziges Teilgebiet.“
„Mit Blick auf das ohnehin schon extrem niedrige Zinsniveau wird der heutige Zinsschritt – wenn überhaupt – nur äußerst geringe Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Kreditvergabe der Banken haben“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB, Michael Kemmer. Die hohen Kreditzinsen für kleine und mittlere Unternehmen in einigen Euroländern könnten jedenfalls nicht mit der heutigen Maßnahme behoben werden. Auch der DIHK ist skeptisch. „Der Zinsschritt nach unten ist ein Tribut der EZB an die Rezession in weiten Teilen der Euro-Zone. Ob er hilft, ist allerdings sehr fraglich“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.
Dazu ein passender Kommentar eines F.A.Z.-Lesers:
Enteignung der deutschen Sparer
EZB-Kredite, die für die Banken praktisch kostenlos sind, werden die Sparzinsen noch weiter nach unten drücken und gleichzeitig die Preise nach oben schieben. Dieses Manöver ist für Deutschland völlig unnötig und dient nur einem einzigen Zweck: der künstlichen Beatmung überschuldeter Banken in Südeuropa.
In Deutschland wirkt sich die Maßnahme als Verschärfung der bereits stattfindenden schleichenden Enteignung aus. Die Bevölkerung mit dem geringsten pro Kopf Vermögen innerhalb der Euro-Zone wird weiter ungeniert ausgenommen.
Letztlich wirkt sich die Zinspolitik der EZB für den deutschen Steuerzahler kaum anders aus als Eurobonds. Unser Vermögen wird für die Tilgung der Banken- und Staatsschulden anderer Länder aufgezehrt. Wie jede Entwertung durch Inflation ist die EZB-Politik die unsozialste Lösung, weil dadurch gerade die hart ersparten kleineren und mittleren Rücklagen pro Jahr um 2% geplündert werden.