Gestern Abend war der Sprecher der AfD, Bernd Lucke, zu Gast in Stefan Raabs Polit-Talk „Absolute Mehrhheit“. Die Sendung heißt so, weil ein Kandidat, dem die Zuschauer am Schluss mehr als 50% Zustimmung geben, 100.000 Euro Belohnung erhält.
Leider hat es nicht geklappt, die Parteikasse auf diese Weise aufzupolstern, aber immerhin hatte Bernd Lucke wesentlich höhere Zustimmungswerte als Dirk Niebel von der FDP und ein relativ unbekannter SPD-Mann. Auch Gregor Gysi, der die meiste Zustimmung erhielt, knackte die 50-Prozent-Marke nicht. Gysi kuschelte sich während der gesamten Sendung an den Showmaster und betätschelte diesen dauernd. Außerdem spielte er Betroffenheit und Bürgernähe. Das Gesicht fiel ihm allerdings herunter als Lucke ihn mit der Nachricht konfrontierte, man sei seiner Partei mittlerweile in Sachen Verschleierung des SED-Parteivermögens auf die Schliche gekommen.
Super war Mr. Dax, Dirk Müller, der absolut realistische Ansichten vertritt und sofort dazwischen geht, wenn Politiker Dinge schönreden wollen. Die Themen der Sendung waren Steuern, Euro und Bildung.
Kommentar der Welt: Euro-Gegner Lucke doziert und punktet bei Raab
(…) Erstaunlich sachlich dreht sich der erste Diskussionsblock nicht etwa um die Gallionsfigur Hoeneß, nicht um Hausdurchsuchungen und Haftbefehl. Stattdessen harter Politik-Talk: das Für und Wider des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens. Der umstrittene Ankauf von Steuer-CDs. Die Straffreiheit von Steuerhinterziehern nach Selbstanzeige.
Es entspinnt sich ein hitziger Schlagabtausch, bei dem so viele Zahlen und Behauptungen durch den Raum schwirren, dass Dirk Niebel sich schließlich nicht anders zu helfen weiß, als einen „Faktencheck“ zu fordern. (…)
In einer großen Koalition aus Euro-Gegner und Linkspartei liegen gleich zu Beginn Bernd Lucke und Gregor Gysi weit vorne. Der Euro-Gegner, weil er und seine Partei AfD offenbar derzeit den Nerv vieler treffen. Der Linke-Fraktionschef, weil er es wie immer versteht, die richtige Balance zwischen Populist und Popstar zu geben.
Von Platz zwei startend, bekommt Euro-Gegner Lucke im nächsten Themenblock sein Lieblingsthema serviert: Ist der Euro am Ende?, lautet die Frage, und Professor Lucke doziert. Vom freiwilligen Ausstieg der Südstaaten (seinem „primären Ziel“) und der Möglichkeit einer kleineren Währungsgemeinschaft (das „sekundäre Ziel“).
Sehr akribisch legt der Protestparteigründer sein Wahlprogramm vor, der Ökonomieprofessor ist ihm jetzt deutlich anzuhören. Was Entwicklungsminister Niebel nicht davon abhält, mit gröberem Werkzeug zurückzuschlagen: Für den bei den Zuschauern weit abgeschlagenen FDP-Politiker ist Luckes Vortrag eine „Missachtung des Parlaments“, der Parteigründer würde „das Volk ins Unglück führen“, fürchtet Niebel. (…)
Völlig blass bleibt in der Runde der SPD-Politiker Florian Pronold. Seine Beliebtheitswerte beim Publikum erinnern eher an die von Philipp Rösler, sein Auftreten an das eines Schülersprechers. (…)
Doch auch wenn am Ende mit Gregor Gysi sicherlich der Populismus siegt, streiten sich die Gäste an diesem Abend auf hohem Niveau. Lautstark und rechthaberisch, das sicherlich. Nicht immer fair, das sicherlich auch.
Und doch lehnt man sich wie Moderator Raab erstaunt auf dem Sofa zurück und lauscht der hitzigen Redeschlacht, die aus Politik einen regelrechten Wettbewerb um das bessere Argument macht.
Am Ende steht der erwartbare, wenn auch überraschend deutliche Erfolg von Gregor Gysi. Verblüffender aber ist das überragende Abschneiden des Euro-Kritikers Lucke – würde man ihn auf den ersten Blick doch sicher nicht für einen Menschenfänger halten. (…)
Kommentar der Jungen Freiheit: Duell mit Überraschungen
(…) Die Themenauswahl der Pro7-Redaktion spielte dem Linkspartei-Politiker in die Hände. Steuerhinterziehung, Euro-Krise und Bildungspolitik. Alles Punkte, bei denen Gysi, gewohnt wortgewandt, mit „sozialer Gerechtigkeit“ argumentieren konnte. Oder zumindest mit dem, was er dafür hält.
Lucke konnte, wie zu erwarten war, beim Euro-Thema Boden gutmachen. Bekam dabei aber auch Konkurrenz durch Müller, der kein Blatt vor den Mund nahm. Zwischen Luckes „Der Euro ist gescheitert, weil er nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben und wie es uns versprochen worden ist!“ und Müllers „Wir waren auch mit der D-Mark Exportweltmeister“ lag nicht viel.
Die Versuche von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, der ein Ressort leitet, das er vor der Wahl bekanntlich noch gerne abgeschafft hätte, den Euro als Erfolgsmodell für Deutschland zu erklären, scheiterten kläglich. Ähnlich wie Niebel selbst, der mit nicht einmal fünf Prozent der Zuschauerstimmen vorzeitig aus dem Rennen ausschied und sich damit sein Schicksal mit dem blassen Chef der Bayern-SPD, Florian Pronold, teilte. Letzterer hatte es immerhin verstanden, zwei Stunden deutlich zu machen, wieso die Sozialdemokraten lieber mit Christian Ude antreten als mit ihm.
Dabei war die Raab-Show dieses Mal für eine faustdicke Überraschung gut. Plötzlich argumentierten Lucke und Gysi, der jeden zweiten Satz mit „Was mich wirklich ärgert“ beginnt, zusammen gegen Steuerhinterzieher. Beide plädierten dafür, auch weiterhin gestohlene Datensätze Schweizer Banken aufzukaufen. (…)
Der AfD-Chef selbst mahnte ein eindringliches Vorgehen gegen Steueroasen an und sprach dabei von einem gemeinsamen Steuersatz in der EU. Das dürfte bei einigen seiner Anhänger für Kopfschütteln gesorgt haben. (…)